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Voice Commerce
30. Oktober 2017
Für viele ist der Online-Einkauf die Normalität. Besonders für Bücher, Kleider, elektronische Medien oder Hotelbuchungen. Was aber, wenn wir nicht mehr via Google suchen und vergleichen, sondern nur noch in den Raum rufen «Alexa,
fünf Liter Milch!». Wer entscheidet dann, wo Alexa einkauft?
Im Jahre 2011 lancierte Apple die erste bekannte Sprachassistentin auf dem iPhone: «Siri». Das Interesse der Benutzer war gross, dennoch war die Sprachsteuerung mehr eine Spielerei als eine echte Hilfe. Zu schlecht waren Spracherkennung und Qualität der Antworten. In der Zwischenzeit hat die Technik grosse Fortschritte erzielt. Mittlerweile verstehen die Maschinen das Gesprochene ebenso gut, wie es bei einer zwischenmenschlichen Unterhaltung der Fall ist. Für den Einsatz von Sprachsteuerungen
eröffnen sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten.
Einkaufen war gestern
Das erkannte unter anderem auch der Tech-Riese Amazon, der als erste grosse Firma im Jahr 2014 ein eigenes Gerät mit integrierter Sprachsteuerung lancierte, den «Amazon Echo». Die Sprachassistentin im Gerät – «Alexa» genannt – bietet mittlerweile 15000 Möglichkeiten an, wie man sie benutzen kann. Das reicht vom Weckerstellen, über das Vorlesen von Rezepten bis hin zur Pizzabestellung. Auch Amazons gigantisches Onlinesortiment ist angebunden. So können die Produkte bequem mittels Sprache bestellt werden. Haben Sie in der Küche gerade keine Hand frei, merken aber, dass das Küchenpapier bald ausgehen wird? Kein Problem, ein kurzer Zuruf, «Alexa, Küchenpapier», und dieses landet mit einer akustischen Bestätigung von Alexa im Warenkorb. Sind Sie gerade in der Vorratskammer und bemerken ein paar Lücken in den Regalen? Mit wenigen Worten sind die Produkte bestellt und bald auch geliefert. Die Sprachassistentin kennt dabei Ihre bevorzugten Produkte und schlägt Ihnen gleichzeitig Preisaktionen vor. Alex trifft eine Vorauswahl Interessant ist der sogenannte «Voice Commerce» – also das Bestellen via Spracheingabe – vor allem für Betreiber von Onlineshops und Webseiten. Denn hier bahnt sich ein grosser Wechsel an. Klassischerweise suchen Benutzer und Benutzerinnen heutzutage via Google nach passenden Produkten oder Dienstleistungen. Sie erhalten eine Trefferliste und wählen selbst aus, welche Treffer sie interessant finden. Ganz anders bei den sprachgesteuerten Geräten wie Amazon Echo: Meistens ist kein Display verbaut, das die Trefferliste anzeigen könnte. Stattdessen werden die Resultate vorgelesen. Verständlicherweise wird die Maschine nicht alle zehn Treffer vorlesen, sondern nur eine reduzierte Auswahl. Dies hat grosse Auswirkungen auf gewohnte Prozesse im E-Commerce: Durch das fehlende Display werden die Suchtreffer von der Maschine vorgefiltert und die Google-Suche so übersprungen. Daher wird Google – bisher auch das «Tor zum Internet» genannt – weniger von Leuten verwendet, die potenziell auf eine WerbeanWerbeanzeige (AdWords) klicken könnten. Als Folge davon kann weniger Werbung angezeigt bzw. verkauft werden, was zu Umsatzeinbussen in diesem erfolgreichen Geschäftszweig führen könnte. Umso wichtiger wird es, in den Top 3 der Suchtreffer zu erscheinen, da man ab dem vierten Platz für Benutzer unsichtbar (bzw. unhörbar) ist.
Für Amazon wurde das Geschäft mit dem «Echo» zum unerwarteten Verkaufsschlager.
Google brachte daraufhin eine Maschine namens «Google Home» auf den Markt. In der Schweiz werden beide Geräte noch nicht offiziell vertrieben. Überhaupt ist der Markt für «Voice Commerce» noch ziemlich klein in der Schweiz. In der breiten Öffentlichkeit bekannt sind nur wenige Projekte rund um die Sprachsteuerung – zum Beispiel die sprachgesteuerte Fernbedienung der Swisscom, die verschiedene Dialekte versteht und zwischen TV-Programmen auswählen kann.
Was heisst das für KMU ?
Um für die Zukunft gewappnet zu sein, sollten KMU in die Qualität der Daten investieren. Immer häufiger werden nämlich Maschinen direkt mit Maschinen kommunizieren. Deshalb ist es wichtig, dass die Daten der KMU von Maschinen lesbar, entsprechend strukturiert und mit allen wertvollen Informationen angereichert sind. Insofern sollten Unternehmen auch ihre Investitionen in klassische Webseiten und Apps überdenken, da diese vermutlich in Zukunft an Bedeutung verlieren und sprachgesteuerte Plattformen attraktiver werden. Es empfiehlt sich, folgende Überlegungen anzustellen: «Bieten wir unseren Kunden eine Dienstleistung, die durch die Sprachsteuerung bequemer wird?» Oder: «Können wir ihnen helfen, indem wir ihnen via Sprachsteuerung Zusatzinformationen oder Anleitungen vermitteln?» Zu diesen Überlegungen gehört auch die Entscheidung, ob man etablierte Plattformen wie Amazon oder Google und deren ausgereifte, technische Geräte nutzen möchte oder ob es sich lohnt, eine Eigenentwicklung anzugehen. Letzteres bringt eine gewisse Unabhängigkeit von grossen Anbietern, ist jedoch mit höheren Kosten verbunden. Durch die neuen technologischen Möglichkeiten ergeben sich aber auch andere rechtliche Gegebenheiten. Deshalb sollten KMU bei einer neuen, sprachgesteuerten Dienstleistung abklären, inwiefern sich zum Beispiel die AGB ändern oder wie man mit den Retouren umgehen soll, die wegen eines falsch verstandenen Sprachbefehls zustande kommen könnten. Wert sollte ausserdem auf eine hohe Usability bei sprachgesteuerten Geräten gelegt werden, denn das fördert ihre Verwendung und bietet einen tatsächlichen Mehrwert. Dazu sollten sich die Onlinemarketingverantwortlichen eine neue Suchmaschinenstrategie überlegen, da sie vermutlich durch die (deutlich längeren) Spracheingaben neue Erkenntnisse gewinnen, in welchen Fällen die Kunden mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Wert legen sollten KMU zu guter Letzt auf ein aktives Change Management, da eine neue Technologie bei Kunden und Mitarbeitenden oftmals mit Unsicherheiten verbunden ist. Diese gilt es, mit Workshops, Vorführungen und Schulungen in Begeisterung zu verwandeln und den Mehrwert herauszustreichen. So werden KMU mit motivierten Mitarbeitenden und Kunden belohnt, die das Unternehmen als innovativ wahrnehmen.
Einkauf wird delegiert
Es handelt sich um den Beginn einer neuen Technologie, die sich vermutlich zuerst für kostengünstige sowie alltägliche Produkte durchsetzen wird. Zu einem späteren Zeitpunkt ist es durchaus denkbar, dass sich Kunden auch bei erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen auf die digitalen Assistenten verlassen. Oder es werden die virtuellen Assistenten im umgekehrten Sinn mit der gezielten Suche und Analyse für ein hochpreisiges Produkt beauftragt: «Alexa, finde die drei besten mobilen Flachbildschirm mit einem 27 Zoll Screen und zeige mir den Preis inklusive Lieferkosten an». Einkaufen wird in der Zukunft delegiert: Die digitale Assistentin macht die Arbeit!
Die Grafiken im Detail:
Die Autoren:
– Andreas Baumgartner, Projektleiter e-Business, MAS Information System Management
– Martina Dalla Vecchia, Dozentin an der FHNW für E-Commerce, Digital Marketing und Social Media
Lesen Sie dazu den Artikel in der aktuellen Ausgabe der Unternehmerzeitung oder lesen Sie hier den kompletten Artikel der Ausgabe 11.
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